Vorstellung Maico MD250

Die erste Vorstellung der Maico MD 250 aus dem Jahre 1971 vom legendären "Klacks"

Außer den spanischen 250 ccm-Straßenmodellen von Bultaco oder Ossa hat es bisher in Europa keine Initiative gegeben, dem Ansturm der japanischen 250 ccm­Sportmaschinen zu begegnen. Und gerade eine Maschine aus den Reihen der deutschen Industrie wird niemand erwartet haben. Die Spanier sind  vor allem auch wegen der Zulassungs-Schwierigkeiten nie so recht in Erscheinung getreten, und deshalb kann es sein, daß diese nun neu entwickelte 250 ccm-Maico MD 250 auf eine gute Marktchance trifft. Mit ihrer gezeigten Leistung ist sie kein Tourenmodell und bestimmt kein Mauerblümchen.
Bereits in dem Bericht über die Mailänder Ausstellung wurde im letzten Heft diese Neuen­wicklung von Maico als Ausstellungsschlager vorgestellt und kurz beschrieben. Und das war für viele eine Überraschung. Eine ähnliche Ent­wicklung mit ähnlichen Zielen eine direkte Konkurrenz zu den japanischen Importen zu schaffen gibt es zur Zeit auf dem Motorradgebiet in Deutschland nicht. In den westlichen Ländern scheint eine 250 ccm Straßensport- maschine eigener Herstellung nicht lohnend zu sein. Hinzu kommen die Schwierigkeiten mit der nur wenig interessierten Zubehörindustrie. Und so überläßt man bisher in dieser Klasse ruhig den Japanern den Markt.
Konstrukteur und Cheftechniker bei Maico, Dipl.-Ing. Günter Schier: „Warum denn? Wenn man etwas Ebenbürtiges bauen kann, kann man doch an diesem Markt teilhaben. Man muß sich nur sein Köpfchen ein bißchen zerbrechen " Der Straßenrennsport hat bewiesen, was man leisten kann, wenn man will und Initiative hat, die Drehschieber-Rennmaschinen 125 ccm 
von Maico haben mit ihren Erfolgen den Beweis dafür angetreten. Dabei purzelten die neuen Ideen natürlich auch aus den Köpfen heraus, Günter Schier und seine Mitarbeiter machten Versuche mit einem 220 ccm- und 250 ccm-Zylinder auf dem 125er Kurbelgehäuse, mit Getriebe und Fahrwerk ebenfalls von der Maico MD 125. Es wurde ein Motorrad daraus, das bei einer Leistung von 32 PS an der Kurbelwelle (Angabe von Günter Schier) und etwas mehr als 100 kg Gewicht ein Leistungsgewicht von nur 3,125 kg/PS aufwies.Rechnet man ca. 26 DIN-PS, wäre es ein Leistungsgewicht von 3,85 kg/PS­Die leistungsstärkste letzte deutsche 250 ccm­Maschine, die NSU-Supermax, hatte vor 12 Jah­ren mit 18 PS bei 165 kg ein Leistungsgewicht von 9,15 kg/PS, die heutigen japanischen 250er liegen bei ca. 5 kg/PS. Günter Schiers „Trick": Superleichtbau bei hoher Motorleistung ergibt Japan-Konkurrenz.
Die Fahr- und anderen Versuche ergaben, daß der Gedanke, als Ausgangsbasis die 125 ccm­Maschine zu nehmen, zu verwirklichen war.

Maico Motor
Der Einzylinder-Zweitaktmotor von Maico mit dem seitlich sichtbaren Drehschiebereinlaß soll nun auch als 250 ccm-Aggregat in Serie gehen. Es Ist mit 54 mm Hub und 76 mm Bohrung ein Ultra-Kurzhuber.

Maico Motor
Die breiten Kühlrippen sind gegen Schwirren mit Abstützungen versehen. Unter dem Sitz befindet sich das Luftfilter, der Vergaser sitzt rechts unter dem Gehäusedeckel, das der MD 125 entspricht.

Die Beschleunigungslinie weiter unten zeigt, was bei diesen Messungen herauskam, man liegt in der Leistung über der in den letzten Jahren vom MOTORRAD getesteten besten japanischen 250 ccm-Maschine. Die Endgeschwindig- keit wurde mit runden 150 km/h bei gutem Wetter und trockener Straße und mit 143 km/h bei nasser, schmieriger Bahn, Regen- und Schneewetter und entsprechender Bekleidung gemessen. Dabei fiel sofort auf, welches Fahrproblem man hat: Wer nicht mit Gas und Kupplung umgehen kann, der kämpft dauernd mit dem aufsteigenden Vorderrad. Fazit: Der Radstand wird für die Serie noch um 80 mm verlängert. Man hat den Eindruck, auf einem 50 ccm-Motorrad mit einem Kraftprotz von Motor zu fahren. Wie bei einem Sportflugzeug kurz vor dem Abheben, das ganze Motorrad wirkt so ungeheuer „leicht". Darauf muß man sich als Fahrer bestimmt erst genau einstellen. 

Da wie gesagt noch keine Leistungskurve vorliegt, kann man nur aufgrund von Beobachtungen eine Aussage auch über die Lage und die Höhe des Drehmoments machen. Das Sechsgang-Getriebe erscheint aber nicht unbedingt notwendig, denn so schmalbrüstig kann das Drehzahlband oben herum gar nicht sein. Das Getriebe hat eine Stufung von 3,4/2,2/1,7/1,35/ 1,13/1,0 und in den Gängen die Übersetzungen 4,8/3,14/2,41/1,9/1,59/1,41. Die Übersetzung des Primärantriebes (Zahnräder) ist 1,97. Zum Hinterrad kann man je nach Fahrergewicht, -größe, -Bekleidung, Gepäck, verkleidet, unverkleidet, verschiedene Übersetzungen wählen. Sie beträgt bei der Hinterradbereifung 3.00-17 mit 14 Zähnen am Getriebeausgang und 29 Zähnen am Hinterrad 2,07. Man kann aber auch 15:29 =- 1,94 wählen. Mit 2,07 ergibt das eine Gesamtübersetzung von 19,6/12,8/9,8/7,7/6,5/5,7 -- mit 1,94 eine solche von 18,3/12,0/9,2/7,3/6,0/ 5,4. Wir erwähnen diese vielen Zahlen deshalb, weil es gerade bei einem solchen Leichtgewicht von Motorrad sehr wichtig ist, für den jeweiligen Fahrwiderstand die genau richtige Übersetzung zu finden. Bei einer Kurbelwellendrehzahl von 8000 U/min reicht der erste Ganq ca. bis 45 km/h, der zweite Gang bis gut 70 km/h, der dritte Gang bis knapp 90 km/h, der vierte Gang bis über 110 km/h, der fünfte Gang bis ca. 135 km/h, und im sechsten Gang bedeuten 8000 U/min ungefähr 150 km/h. 

Daß dieses Tempo tatsächlich auch erreicht wurde, das haben wir gemessen. Zieht man die geringe Stirnfläche in Betracht, die nicht größer als die der Maico MD 50, 50 ccm, und die der MD 125, 125 ccm, ist, und rechnet man dazu das geringe Gewicht (mit Fahrer brachte die getestete Maschine genau 161 kg auf die Waage mit etwa '/3 vollem Tank!), dann müßte erfahrungsgemäß die DIN-PS-Leistung zwischen 22 und 28 PS zu suchen sein. Man sollte die Bemerkung nicht auslassen, ob beispielsweise eine Bereifung mit 18 Zoll-Rädern, eine international besser verbreitete Reifengröße als 17 Zoll, nicht eine klügere Wahl wäre -- die entsprechende Übersetzung wäre ja kein Problem, und die Stirnfläche würde auch nicht größer.

Das Getriebe entspricht dem der 125 ccm-Maschine, die Kurbelwelle ist aber stärker. Das Pleuel kommt aus dem Moto Cross-Motor, der geschmiedete Kolben stammt aus dem Hause Mahle. Der Drehschieber wiederum ist der der 125 ccm-Rennmaschine, und auch die Kupplung entspricht derjenigen der Rennmaschine. Der Bing-Zentralschwimmer- Vergaser hat einen Durchmesser von 32 mm. Die Verdichtung ist 12,0. Im Versuch wurden Champion- Zündkerzen N 3 G (Wärmewert etwa 280 bis 310) gefahren, und diese Kerzen wird man auch serienmäßig verwenden. Schier berichtete von den Maico-Schwierigkeiten mit Zulieferanten und in der Tat möchte man nach dem, was man da hörte, behaupten, daß es in Deutschland auch heute noch immer eine fast nicht zu lösende Aufgabe ist, von größeren Herstellern auch nur eine Schraube zu bekommen. Ein Trauerspiel. Nun gut, im Versuch wurde die spanische Motoplat-Zündung gefahren (bei Bosch hatte man kein Glück), und für die Serie wird eine Kröber-Anlage vorgesehen. 

Die Reifenfrage wurde bei Metzeler in München angepackt, prima. 
Aber die Teleqabel von Aerts stammt aus Belgien. Tank, Sitzbank, Bremsen kommen aus Italien. Der Hella- Scheinwerfer mit einem Durchmesser von rund 130 mm ist für diese schnelle Maschine mit seiner Licht­ausbeute zu klein, auch die Batterie sollte später im Serienbau mehr Kapazität aufweisen. Die hinteren Federbeine sind von Girling (England). Zum Hinterrad verwendet man eine englische Renold-Kette '/2 x 51,6, „Mark 10". Das Fahrverhalten zeigte sich bei unseren Messungen und Fahrten einwandfrei -- bei einem längeren Radstand dürfte sich das bestimmt nicht ändern. Man muß nur, wie schon erwähnt wissen, daß das Vorderrad auch im fünften Gang noch abheben kann, wenn man bei 110 km/h plötzlich Vollgas gibt und beschleunigt. Das Fahrproblem ist nicht so sehr die Spurtreue, die ist vorhanden, sondern die ungewohnte Leichtigkeit des Motorrades. Die Kurvenlage ist ausgesprochen gut.
Die Motorleistung und dann dazu der superleichte Rahmen der 125 ccm-Maschine wären zu begutachten. Während der Erprobungsfahrten sind keine Rahmenbrüche vorgekommen, mehr kann man dazu vorläufig nicht sagen. Es ist ein Doppelschleifen-Rahmen, der Anklänge an den Rennmaschinenbau zeigt. Die Vorderradbremse hat einen Durchmesser von 160 mm, die Hinterradbremse einen solchen von 136 mm. In den Tank gehen 13,5 Liter einschließlich zwei Liter Reserve, während der Versuche wurde der Motor mit einem Öl-Benzingemisch im Verhältnis von 1:20 gefahren. Als Normverbrauch werden 5 Liter/100 km angegeben, da man aber bestimmt nicht im Bereich der Normverbrauch­ Geschwindigkeiten fahren wird, muß man natürlich mit einem größeren Verbrauch rechnen. Vielleicht sind 200 km Radius in einer Tankfüllung drin. Nicht gerade reichlich -!

Cockpit
Zum Messen wurde ein Kröber Drehzahlmesser montiert

Cockpit
Die für die Serienfertigung ausgewählten Instrumente von VDO

Der elektrische Drehzahlmesser wurde von VDO entwickelt - er hat eine Halbrund-Skala mit ziemlich grober Unterteilung, und der Tachometer stammt ebenfalls von VDO. Beide Instrumente zeigten sich aber noch anfällig. Gerade ein solches Motorrad braucht aber zumindest einen genau anzeigenden und stabilen Drehzahlmesser, da man mehr nach dessen Anzeige als nach den Angaben des Geschwindigkeitsmessers fahren wird. Bei den Messungen wurde an die Versuchsmaschine ein Kröber-Drehzahlmesser mit genauer Anzeige montiert.
Das Auspuffrohr wird in der Mitte unter dem Kurbelgehäuse hindurch nach der Seite geführt, der Schalldämpfer beginnt schon sehr bald hinter dem Krümmer. Beim Antreten springt der Motor sofort und leicht an, er zeigt kaum Vibrationen, höchstens in den oberen Drehzahlen merkt man höhere Frequenzen an den Lenkerenden. Der Luftfilter befindet sich in dem dreieckigen Kasten unter der Sitzbank, die Ansaugluft wird von dort durch eine Gummimanschette in den Raum hinter dem rechten Gehäusedeckel geführt, unter dem sich der Vergaser befindet. Dadurch konnte man das Ansauggeräusch sehr gut abdämpfen.
Seit geraumer Zeit schon überlegte man sich bei Maico den Bau einer 250 ccm Straßenmaschine, und zunächst probierte man ein Modell mit einem Viergang-Getriebe und recht bravem Aus­sehen. Man hatte ein zuverlässiges Tourenmotorrad im Sinn, ähnlich der 250 ccm ETS von MZ zum Beispiel. Mit der Zeit jedoch wurde es den Pfäffingern klar, daß zwar ein solches Motorrad eine bestimmte Daseinsberechtigung haben würde, daß der Markt aber mit einem solchen Modell schon ziemlich gesättigt ist. Die lohnendere Entwicklung würde sein, wenn man in die Kategorie der japanischen Sportmaschinen vor­stoßen könnte, ähnlich der Straßenmodelle von Bultaco oder Ossa in Spanien, die aber auf dem Markt in Europa bislang nicht so sehr in Erscheinung getreten sind, weil diese Fabriken wie auch KTM in Osterreich, fast ausschließlich vom Export spezieller Geländesport-Maschinen existieren. Wer in der 250 ccm-Klasse etwas werden will, muß eine rasante Straßensport­maschine anbieten.
Wir werden sehen, was aus diesem Projekt der MD 250 wird. Zu gönnen wäre den Maico-Leuten ein Erfolg in dieser Richtung, eine Besonderheit können sie dabei auch noch durch die Drehschiebersteuerung, das Sechsgang-Getriebe und das geringe Gewicht in die Waagschale werfen. Der Preis dürfte sich etwa zwischen DM 2800.­und DM 2900.- bewegen, aber darüber scheint das letzte Wort noch nicht gesprochen worden zu sein.                               Klacks

Diagramm

Diagramm

Dies war die gemessenen Beschleunigung bei einem Maschinengewicht (incl. Fahrer) von 161kg. Darunter die Beschleunigung der bisher besten japanischen 250er.
Das Gangdiagramm gehört zu der Hinterrad- Übersetzung 14:29 und der Bereifung 3.00-17. Drehzahl bei Höchst- leistung ca. 8000 U/min.
Eine Leistungskurve gab es zu diesem frühen Zeitpunkt von Maico noch nicht. Günter Schier gibt etwa 32PS an der Kurbelwelle an, wir schätzen anhand der gezeigten Fahrleistungen ca. 28 DIN-PS.

Der Bericht und die Bilder wurden leicht verändert im anderen Layout aus der "Motorrad 26/1971" entnommen.